Orte des Gedenkens thematisiert den Widerstand der Eisenbahner in Saalfelden

Ein umfassendes Recherche- und Vermittlungsprojekt rund um den Eisenbahner und Sozialdemokraten Karl Reinthaler wird erarbeitet. Jury wählte Kunstprojekt von Rosa Andraschek und Simon Nagy zur Umsetzung aus.

Der vierte Erinnerungsort an den Widerstand gegen das NS-Regime im Rahmen des Projekts Orte des Gedenkens wird 2025 in Saalfelden realisiert. Im Zentrum stehen der Sozialdemokrat Karl Reinthaler und der Widerstand der Eisenbahner. Der Wagenmeister und Lokführer wurde von der Wirtin des Bahnhofsrestaurants denunziert und 1942 von der Gestapo verhaftet. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er für die „Rote Hilfe“ gespendet hatte, um eine Kioskbetreiberin zu unterstützen. Nachdem ihre Söhne verhaftet worden waren musste sie  ihren Kiosk schließen.

Als Eisenbahner konnte Karl Reinthaler in der Schweiz Zeitungen besorgen, die er mitnahm und unter Kollegen, denen er vertraute, verteilte. Auch das war verboten. Nach der Verurteilung wurde Karl Reinthaler im Zuchthaus Amberg in der Mittleren Oberpfalz inhaftiert, ein „Vergeltungslager“ für politisch Inhaftierte, in dem er zur Zwangsarbeit gezwungen wurde. Dass er als Werkzeugmacher schließlich bei einer Zweigniederlassung der Firma Zeiss arbeiten konnte, rettete ihm das Leben, meinte er später. Nach der Befreiung zog Reinthaler für die SPÖ als Abgeordneter in den Landtag ein. Die Folgen der Inhaftierung machten ihn weitgehend arbeitsunfähig und behinderten auch seine politische Karriere.  Zwischen 1972 und 1979 war er dennoch Bürgermeister von Saalfelden. Er engagierte sich später als Zeitzeuge an Schulen.

Eisenbahner als politische Gegner verfolgt

„Es brauchte nicht sehr viel, um während der NS-Zeit verfolgt zu werden. Anstand war ein ausreichender Verfolgungsgrund, denn wer nicht ‚mitlief‘ wurde verdächtig, so auch Reinthaler, der es nicht aushielt, wenn Nazi-Größen ihre Radioreden in den Gaststuben hinausposaunten“, sagt Historiker Albert Lichtblau von der Projektgruppe Orte des Gedenkens. Die Eisenbahner seien enorm wichtig für jede Form des Widerstandes gewesen. „Es ist kein Zufall, dass so viele von ihnen auch im Land Salzburg während der NS-Zeit als politische Gegner verfolgt wurden“, erklärt Lichtblau. „Auf Grund der Mobilität konnten sie Nachrichten oder Sachgüter überbringen, Kontakte halten, sich betriebsintern zusammenschließen, so auch in Saalfelden.“

Wie an den anderen Orten zuvor wurde auch in Saalfelden ein geladener künstlerischer Wettbewerb in Kooperation mit dem Fonds zur Förderung von Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum des Landes Salzburg durchgeführt. Die Jury unter dem Vorsitz von Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder hat sich mit absoluter Mehrheit für die Einreichung von Rosa Andraschek und Simon Nagy entschieden und schlägt diese zur Realisierung in St. Johann für das kommende Jahr vor.

Unter dem Arbeitstitel „Der kürzeste Weg“, ein Zitat des Lokführers Karl Reinthaler, entwickelten die Künstler:innen ein temporäres Projekt, mit dem im Stadtraum von Saalfelden der Widerstand der Eisenbahner von Mai 2025 bis Mai 2026 sichtbar und hörbar werden wird. An fünf Audio-Stationen werden die gesprochenen Erinnerungen von Karl Reinthaler an Widerstandsakte, Denunziation und Verhaftung und an seine Haft hörbar sein. Die sechste Audio-Station ist den weiteren Eisenbahnern gewidmet und umfasst anstelle gesprochener Erinnerungen ein kurzes Musikstück des Bassisten Lukas Kranzelbinder. Das Stück wird im Rahmen des Jazzfestivals Saalfelden im August 2025 mit einem eigenen Programmpunkt eine Erweiterung erfahren. Ein über die Projektdauer hinaus bleibender Faltplan vernetzt die Orte untereinander und erweitert die persönlichen Erzählungen um historisch-vermittelnde Texte.

„Das künstlerische Konzept von Andraschek und Nagy überzeugt vor allem durch die Verbindungen von Persönlichem und Allgemeinem, von Konkretem mit historischen Zusammenhängen und den Kontinuitäten der NS-Geschichte bis in die Gegenwart“, begründet Hildegard Fraueneder die Juryentscheidung.  „Mit den Audio-Stationen bringen die Künstler:innen die 2007 filmisch aufgezeichneten Erzählungen Karl Reinthalers genau an jenen Orten zur Aufführung, an denen sich die Geschehnisse auch zugetragen hatten.“

Begleitend dazu wird in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Saalfelden ein einjähriges Schulprojekt stattfinden. Dabei setzen sich Schüler:innen der 7. Klasse intensiv mit lokalen Biografien von Widerständigen gegen das NS-Regime bzw. Opfern der Nationalsozialisten auseinander. Am Ende des Projekts sollen die ersten Stolpersteine in Saalfelden verlegt werden.

Die Stadtgemeinde Saalfelden unterstützt das Projekt. Bürgermeister Erich Rohrmoser unt

Kurzportrait Andraschek und Nagy

Die in Wien lebende Künstlerin Rosa Andraschek widmet sich in vielen ihrer Arbeiten mit oft auch übersehenen und verborgenen Aspekten der österreichischen Vergangenheit. Sie hat in den vergangenen Jahren mehrere Gedenkprojekte realisiert, u.a. an das Zwangsarbeiterlager in Roggendorf/Pulkau; weitere längerfristige Projekte beschäftigen sich mit dem ehemaligen KZ-Außenlager in Hirtenberg und mit den zahlreichen Kriegerdenkmälern; zurzeit arbeitet sie zusammen mit Simon Nagy an einer neuen Weggestaltung des Kriegerdenkmals in Garsten/OÖ.

Simon Nagy arbeitet in unterschiedlichen Kollektiven in Kunst- und kritischer Wissensproduktion und er ist Teil der Künstler:innengruppe Schandwache, die sich gegen antisemitische Kontinuitäten in Wien einsetzt und auch aktivistisch die Umgestaltung des Karl-Lueger-Denkmals einfordern. Er ist Vorstandsmitglied von trafo.K, deren Schwerpunkte u.a. auch auf der künstlerischen Vermittlung von Zeitgeschichte und NS-Kontinuitäten liegen.

 

 

Bilder:

Bild 1: Der Sozialdemokrat Karl Reinthaler überlebte ein Lager mit Zwangsarbeit, später wurde er Bürgermeister von Saalfelden.

Bild 2: Erinnerungen aus einem Fotoalbum mit Karl Reinthaler als Lokführer.

(Fotocredit: Orte des Gedenkens)

Rückfragehinweis:

Stefanie Ruep, Pressekoordination Orte des Gedenkens
office@ortedesgedenkens.at 
Tel: +43650/8312976

 

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